18.11.15

Schweiz wird wohl Interventions-Schatulle wieder öffnen

Die EZB dreht den Geldhahn auf, und die Schweiz kann zusehen, wie sie damit zurecht kommt. Auf dieses Szenario scheint es hinauszulaufen, nachdem die Nr. 2 der Europäischen Zentralbank (EZB), Chefvolkswirt Peter Praet, weitere Lockerungen bekräftigt. Es ist nicht so, als ob die Schweizerische Nationalbank (SNB) keine Firepower mehr hätte. 165 Milliarden Franken liegen in der Interventions-Schatulle, die nur darauf warten, von SNB-Präsident Thomas Jordan herausgeholt zu werden.

"Es gibt Risiken, und deshalb erwägen wir weiteres Handeln", sagt Praet der Nachrichtenagentur Bloomberg. Die niedrigen Inflationserwartungen und die maue Wirtschaft seien "ein gefährlicher Cocktail". Der Belgier gibt einen Hinweis, welchen Typ von Lockerung man im Auge hat. "Unsere Erfahrung mit einem negativen Einlagensatz war besser, als wir ursprünglich gedacht hatten", so Praet. Demzufolge wird die EZB auf ihrer Sitzung am 3. Dezember 2015 voraussichtlich den bei -0,20% liegenden Einlagensatz senken.

Der aktuell auf einem 2-Wochenhoch bei 1,0860 Franken notierende Eurokurs dürfte dann wieder sinken. Denn bis die Schweizerische Nationalbank (SNB) die passende Antwort auf die Maßnahmen der EZB parat hat, dürfte eine Woche vergehen. Wenn die eidgenössischen Währungshüter dann am 10. Dezember 2015 zusammen kommen, könnten sie den in der Schweiz gültigen Einlagensatz, mit dem Geschäftsbanken abgeschreckt werden sollen Guthaben bei Notenbank zu halten, von -0,75% auf -1,00% verringern.

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Analysten sind der Meinung, dass die SNB ein weiteres Ass im Ärmel hat: Sie könnte ihre Bilanz auf 120% der Schweizer Wirtschaftsleistung ausweiten, wie eine Umfrage des Finanzdienstes Bloomberg unter 13 Volkswirten zeigt. Der SNB stünden damit 165 Milliarden Franken "Spielgeld" zur Verfügung. Das Geld würde sie ausschließlich dazu verwenden Euros zu kaufen, um einem Rückfall des Euro-Franken-Kurses entgegenzuwirken.

"Es ist nicht so, als fürchte die SNB ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren, wenn die Bilanz auf 100% vom BIP anwächst, aber der politische Gegenwind würde mit Sicherheit stärker", zitiert Bloomberg den Ökonomen Roland Kläger von Raiffeisen Schweiz. Hintergrund: Die Interventionen am Devisenmarkt und einer lockeren Geldpolitik traditionell kritisch gegenüberstehende rechtsnationale Schweizerische Volkspartei (SVP) baute bei den Parlamentswahlen im Oktober ihre Position als stärkste Kraft des Landes aus.

Zuletzt lag die Bilanzsumme der SNB mit etwa 625 Milliarden Franken bei knapp 100% des Schweizer Bruttoinlandsproduktes (BIP). Würden noch einmal 165 Milliarden Franken hinzukommen, wäre man bei knapp 800 Milliarden Franken. Damit stünde jeder der 8 Millionen Einwohner, egal ob Schweizer oder Nicht-Schweizer, mit 100.000 Franken im Risiko.

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