12.1.15

Kostet der Euro bald nur noch 1,10 CHF? Ein Pro und Contra

Die Finanzwirtschaft will am Euro-Mindestkurs bei 1,20 Franken festhalten, während sich die Wissenschaft für eine Abnabelung ausspricht. Seitdem der Euro vor zwei Monaten Tuchfühlung mit der Untergrenze aufnahm, wird über die Sinnhaftigkeit des Experimentes, den starken Schweizer Franken an den weichen Euro zu binden, kontrovers diskutiert.

"Ein Mindestkurs von 1,10 Franken würde den Druck wegnehmen, weil man wüsste, dass er eine Größe erreicht hat, die glaubwürdig ist", sagt Kurt Schiltknecht, Ex-Chefökonom der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zu Radio SRF.

Sollte man den Euro-Mindestkurs auf 1,15 Franken oder ein 1,10 Franken absenken, wäre der Schaden größer als der Nutzen, zitiert der Tagesanzeiger den UBS-Devisenexperten Thomas Flury. "Das würde nur die Erwartung auf weitere Senkungen schüren. Es besteht auch kein Interesse, den Franken mit einer Absenkung der Untergrenze noch stärker zu machen", ist sich Flury sicher.

"Man könnte den jetzigen Mindestkurs zum Euro durch eine Untergrenze für einen Währungskorb ersetzen", erklärt Ernst Baltensperger, einflussreicher Vordenker der Schweizer Geldpolitik, im Gespräch mit NZZ am Sonntag. Seine Idee: Der EUR/CHF-Kurs darf unter 1,20 sinken, wenn im Gegenzug der Schweizer Franken gegenüber dem US-Dollar abwertet.

Es wäre ein Signal der Schwäche, wenn die SNB dem Druck auf die Untergrenze nachgeben und diese senken würde, meint der Chefökonom der Züricher Kantonalbank (ZKB), Anastassios Frangulidis. Die Nationalbank werde so lange wie möglich "stark bleiben", sagt er dem Blick am Abend.

"Das ist, wie wenn sie hinter Chur den Rhein stauen. Irgendwann kommt das Wasser", beschreibt der Züricher Wirtschaftsprofessor Martin Janssen die Mindestkurspolitik. Jansen spricht sich für einen Ausstieg aus der Wechselkurssteuerung aus.

Ergebnis:
Die Finanzwirtschaft möchte, dass die SNB solange wie möglich an der Euro-Untergrenze bei 1,20 Franken festhält. Mindestkurs-Doping ist gut für die Realwirtschaft und das Kreditgeschäft der Banken. Die Wissenschaft sagt: Je länger man mit dem Mindestkurs fortfährt, umso wahrscheinlicher wird es, dass das Ganze mit einem großen Knall endet.

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