29.11.16

Es gibt noch Durchwurstel-Spielraum auf der Zeitachse

Noch ist der Euro nicht wachsweich. Er bekommt sogar ein wenig Wind unter die Flügel, nachdem die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihre Interventionen am Devisenmarkt offenbar zurückfahren konnte. Ob sich ein von Notenbankeinflüssen befreiter EUR/CHF-Kurs bei 1,0750 halten kann, bleibt abzuwarten. Der Italoexit ist eine Presseblase.

Die von Schweizer Banken bei der SNB gehaltenen Giroguthaben erhöhten sich in der vergangenen Woche lediglich um knapp 5 Milliarden Franken. In der Woche davor hatte es noch einen Anstieg um 9 Milliarden Franken gegeben. Interveniert die SNB zur Stützung des EUR/CHF-Kurses, kauft sie die dafür notwendigen Euros in der Regel den heimischen Geschäftsbanken ab, wodurch im Gegenzug die Giroguthaben steigen.

Am europäischen Fremdkapitalmarkt spielt man derzeit die Möglichkeit durch, dass das italienische Stimmvolk die Verfassungsänderung am kommenden Sonntag durchwinkt. Die Zinsen auf zehnjährige Schuldscheine aus Italien fallen unter 2%, nachdem sie zuvor mit 2,12% auf den höchsten Stand seit eineinhalb Jahre geklettert sind.

Selbst der eher italienfreundliche Spiegel-Online schreibt: "Es stimmt schon: Die Produktivität stagniert seit Langem, die Wettbewerbsfähigkeit schwindet, die Steuern sind horrend, die Justiz arbeitet quälend langsam, das Bildungssystem ist schwach, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind niedrig".

Es ist schon beinahe egal, ob die Italiener nun zustimmen oder nicht. Es rechnet ohnehin niemand damit, dass die Politik bei einem Ja tatsächlich Reformen anpackt und schneller durchsetzt. Bei einem Nein käme es wahrscheinlich zu einer Regierungsumbildung. Die EZB würde ihre Käufe von italienischen Staatsanleihen kurzzeitig hochfahren.

Fest steht: Italiens Politiker werden sich auch künftig ökonomischen Realitäten verweigern und sich weiter durchwursteln.

Die Auswirkungen von Italiens Verfassungsreferendum auf die Finanzmärkte dürfte daher von der Presse überschätzt werden. Beim Brexit und Trumps-Wahlsieg hatte man ja schon meilenweit daneben gelegen. Gefährlich wird es für Italien erst, wenn die Zinsen über 3% und die Staatsverschuldung über 150% (aktuell: 135%) steigen. Dann gäbe es wohl ernste Zweifel an der Schuldentragfähigkeit des Landes.

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