29.9.15

EZB-Salamitaktik belastet Euro

Der Euro sinkt von 1,10 auf 1,09 Franken, nachdem die Inflationsrate in Europas größter Volkswirtschaft die Zielmarke von 2% deutlich verfehlt. Devisenhändler zeigen sich besorgt über ein Eingreifen der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie verkaufen den Euro in der Annahme, dass die EZB scheibchenweise die Geldpolitik lockert. Österreichs Notenbankchef spricht von einem Drahtseilakt.


Deutschlands jährliche Inflationsrate lag im September bei 0,0%, teilt das Statistische Bundesamt mit. Im August hatte es noch einen Anstieg der Verbraucherpreise um 0,2% gegeben. Hauptgrund für die auf der Stelle tretenden Verbraucherpreise ist ein erheblicher Rückgang der Energiepreise. Haushaltsenergie und Kraftstoffe waren im September 9,3 Prozent günstiger als vor einem Jahr.

"Geldpolitik sollte einer Politik der ruhigen Hand folgen. Wir sollten nicht in einer zu aktiven Weise handeln", sagt der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank (OENB), das dienstälteste EZB-Ratsmitglied, Ewald Nowotny, in einem Interview mit Bloomberg TV. Ob eine weitere Lockerung der Geldpolitik nötig sei, "müsse einer gründlicheren Überprüfung unterzogen werden."

Die ins Kraut schießende Spekulationen über eine Lockerung der Geldpolitik fokussieren sich fast ausschließlich auf eine zeitliche Ausweitung bzw. eine Aufstockung der Käufe von Staatsanleihen. Die EZB könnte aber auch mit einer Zinssenkung zuschlagen. Diese Mittel hat sich in der Vergangenheit als äußert effektiv herausgestellt, um den Euro abzuschwächen und so ein wenig Inflation zu importieren.

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Der Präsident der Notenbank von Estland, EZB-Ratsmitglied Ardo Hansson, warnt vor den Folgen der lockeren Geldpolitik. Ein "lukratives Zinsumfeld unterstützt die Erholung der wirtschaftlichen Aktivität, doch ein anhaltend niedriges Zinsniveau kann zu Ungleichgewichten oder Risiken führen, die - sollten sie sich bewahrheiten - die Gesellschaft sehr teuer zu stehen kämen", erklärte Hansson vor dem estnischen Parlament.

Die um Mario Draghi versammelten Verfechter einer ultralockeren Geldpolitik dürften das anders sehen. Sie sind in der Mehrheit und wollen offenbar per Salamitaktik weitere Lockerungen im Zentralbankrat durchboxen. Ein erster Schritt in diese Richtung war die Anfang September beschlossene Erhöhung des Kontingentes von Staatsanleihen. Statt bisher maximal 25 Prozent, kann die EZB künftig bis zu 33 Prozent der ausstehenden Staatsanleihen eines Eurolandes kaufen.

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