Bei den Devisenexperten der Banken ist man in Aufruhr. Mit dem Euro-Franken-Kurs werden die Auguren nicht mehr glücklich. Während der Gültigkeit des Euro-Mindestkurses bei 1,20 Franken hatten sie ihre Wechselkursprognose in der Regel zu hoch angesetzt. Jetzt ist man zu tief. Bei Morgan Stanley und HSBC stehen Euro-Franken-Vorhersagen für Mitte 2016 von 1,05 in den Prognosetabellen.
"Die Chance eines bullischen Auftretens des EUR gegenüber dem CHF ist gedämpft, vor allem weil viele lokale Fondsmanager (aus der Schweiz) nur widerwillig bereit sind, Kapital zu exportieren", sagt Hans Redeker, Chef für globale Devisenstrategie bei Morgan Stanley. Hinzu komme: Die Gefahr eines Brexit, die Flüchtllingskrise und das Aufkommen von Anti-Establishment Parteien in der EU dürften den Franken stark halten.
Am Devisenmarkt ist die Stimmung entgegengesetzt von dem, was Morgan Stanley da ausgemacht hat. Das Motto: Es werde schon alles gut gehen. Insofern sollte man einen steilen Anstieg des Euros auf 1,15 Franken auf dem Zettel haben. Die Devisenmärkte sind für solche Kurskapriolen bekannt. Damit dies möglich wird, müsste Folgendes zusammenkommen:
- Das Wachstum in Euroland zieht an. Ein Indiz dafür kam unlängst von dem mit besseren Informationen versorgten EZB-Chef Mario Draghi. Er war auf der Pressekonferenz nach der turnusmäßigen Sitzung recht positiv gestimmt, was den konjunkturellen Ausblick anging.
- Großbritannien entscheidet sich am 23. Juni 2016 für eine Zukunft in der Europäischen Union (EU).
- Das Gerangel in Griechenland findet ein Ende. Das Land bekommt eine Schuldenerleichterung und sichert seine Euro-Mitgliedschaft. Dies führt schließlich dazu, dass die EZB beginnt griechische Staatsanleihen zu kaufen. Die Hellas-Schuldscheine werden in das 1,5 Billion Euro Wertpapierkaufprogramm inkludiert.
- Weil die US-Notenbank (Fed) ein Versprechen abgibt, in diesem Jahr auf Leitzinserhöhungen zu verzichten, wechselt die Stimmung an den Finanzmärkten von fragil auf robust. Chinas Wirtschaft stabilisiert sich, da wegen der Fed-Verzichtserklärung eine schwächerer Yuan, der Mitte 2015 und Anfang 2016 zwei Börsenbeben auslöste, vom Tisch ist.
- Brüssel liefert Ergebnisse: Die EU-Länder einigen sich auf eine gemeinsame Flüchtlingspolitik. Das Freihandelsabkommen mit den USA wird fertig verhandelt. Die Eurozone beschließt sich über die Schaffung eines gemeinsame Finanzministeriums, das Steuern erheben und folglich Schuldscheine begeben kann, stärker institutionell zu verzahnen.