2.12.15

Kommt jetzt die EZB-Schuldenunion durch die Hintertür?

Der Euro klettert mit 1,0935 Franken auf den höchsten Stand seit knapp zwei Monaten. Es folgt ein rascher Rückfall des Wechselkurses auf 1,0860. Hintergrund ist eine stagnierende Inflationsentwicklung im Euroraum. Die Teuerung lässt sich von der anziehenden Konjunktur und den massiven Kursverlusten des Euros zum US-Dollar nicht aus der Reserve locken. Im EZB-Rat pochen die Tauben auf das Vollkaskomodell.

Die von der Finanzwelt mit Argusaugen beobachtete Inflationsrate kommt nicht vom Fleck. Im November 2015 lagen die Verbraucherpreise im Euroraum lediglich um 0,1% höher als im November 2014, meldet Eurostat. Volkswirte hatten mit einem Anstieg um 0,2% gerechnet. Noch mehr Munition bekommt Mario Draghi von der Kerninflationsrate, also jener Teuerung, die die Preise für Lebensmittel und Energie, ausspart. Sie sinkt von 1,1% auf 0,9%.

Mit dieser Steilvorlage gehen die um Draghi versammelten Tauben (jene EZB-Mitglieder, die sich für extreme Lockerungen der Geldpolitik stark machen) in die letzte Zinssitzung des Jahres. Die Tauben werden darauf pochen, ein umfangreiches Maßnahmenpaket zu verabschieden, um die Inflation auf 2% zu bringen. Neben Zinssenkungen steht eine Aufstockung der monatlichen Käufe von Staatsanleihen ganz oben auf der Wunschliste.


Die Tauben wollen mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, sagen die Falken. Denn die Konjunktur im Euroraum ist robust. Anzeichen sinkender Preise und Löhne (Deflation) gibt es keine. Die Inflationsrate müsse man nicht anschieben. Sie werde von ganz alleine wieder steigen, auch weil sich der Ölpreisabsturz in den kommenden Monaten aus den Inflationsdaten verflüchtigen wird.

Vollkaskomodell

Die Tauben haben eine deutliche Mehrheit im EZB-Rat, so dass es im jeden Fall zu einer Öffnung der Geldschleusen kommen dürfte. Die Falken werden versuchen, das aus ihrer Sicht Schlimmste zu verhindern.

Das große Ziel vieler südeuropäischer Notenbankchefs besteht nicht nur darin, Staatsanleihen zu kaufen. Sie wollen das Ausfallrisiko für die gekauften Anleihen zu 100% dem Eurosystem aufbürden. Bisher haften die nationalen Notenbanken für 80% und das Eurosystem, inklusive dem deutschen Steuerzahler, für 20%.

Der noch von Ex-Premier Silvio Berlusconi eingesetzte Notenbankchef von Italien, EZB-Ratsmitglied Ignazio Visco, hatte das Vollkaskomodell schon vor einem Jahr gefordert. Einige in den USA lehrende italienische Volkswirte sagen, der Euro habe nur eine Zukunft, wenn die Deutschen für den Schuldenberg Italiens bürgen.

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